Produkt Reis: Reis ist in Italien keine Beilage , sondern Hauptdarsteller. Die richtige Wahl ist entscheidend für das Gelingen eines Rezept, wovon einige oft schon per Tradition eine ganz bestimmte lokale Reissorte vorsehen, die sich mit ihren Eigenschaften besonders harmonisch in die Gesamtkomposition fügt. Kein Wunder, dass die Klassifikation der rund 200 italienischen Reissorten einer regelrecht wahnwitzigen Wissenschaft gleicht, die zwei sehr italienische Leidenschaften verbindet. Bürokratie und Lebensmittelfetischismus. So kennt das italienische Amt für Reis, Ente Nationale Risi, sechs Gruppen von Reis: Ribe, Arborio, Roma-Baldo, Carnaroli, Nano Vialone und Sant Andrea.
Klingt zunächst übersichtlich, ist es aber nicht. Denn innerhalb dieser Gruppen muss keineswegs immer nur eine Sorte enthalten sein. Für jede Gruppe gibt es klar definierte Listen mit den Sorten, die unter ihrem Namen vermarktet werden dürfen. So können beispielsweise 42 verschiedene Reissorten als Ribe verkauft werden und sogar der hochgeschätzte Carnaroli kann in Wahrheit ein Karnak, Keope oder Leonidas sein. Ausnahmen bilden lediglich der Nano Vialone Veronese IGP, der tatsächlich immer nur Nano Vialone enthalten muss, sowie die dezidiert als Carnaroli Classico im Handel erhältlichen , streng sortierten Abfüllungen von ausschließlich Carnaroli. Einige Reissorten werden, abhängig von ihrer Herkunft, von einem DOP- oder IGP-Siegel geschützt, was auch beim Verkauf mit angegeben wird. So gibt es beispielsweise Carnaroli del Delta del Po IGP (aus dem Po Delta an der adriatischen Küste) oder auch Carnaroli Riso di Baraggia DOP (aus dem Piermont). Reisanbau ist vor allem eine Sache des italienischen Nordens. Im Piemont, insbesondere um die Städte Vercelli und Biella aber auch fast in der gesamten übrigen Po-Ebene wird Reis im großen Stil angebaut. Hier und in wenigen kleinen Gebieten in der Toskana, Kalabrien und auf Sardinien produziert Italien mehr als die Hälfte des gesamt in Europa hergestellten Reises, wovon wiederum mehr als die Hälfte exportiert wird. Am häufigsten wird Reis in Italien im Risotto eingesetzt.
Entsprechend eignen sich auch alle italienischen Reissorten mehr oder weniger für diesen Zweck. Der sehr stärkehaltige Carnaroli etwa wird aufgrund seiner Eigenschaften, wie der lange möglichen Kochzeit ohne Verkleben und einer ausgesprochen hohen Bissfestigkeit bei gleichzeitig cremigem Äußeren, besonders in der gehobenen Gastronomie bevorzugt. Auch Arborio ist ein beliebter Kandidat für einen Risotto, er enthält aber etwas weniger Stärke. Dafür kann er die fünffache Menge seines Gewichts an Flüssigkeit aufnehmen und hat große Körner. Er ist damit auch eine beliebte Sorte für die sizilianischen Arancini oder um Gemüse zu füllen. Im Veneto wird vor allem auf Nano Vialone Vertenese IGP gesetzt. Der Reis hat eine lange Geschichte und ist die erste Wahl in vielen traditionellen Gerichten, vor allem zwischen Verona und Mantua. Er eignet sich durch seine außergewöhnlich hohe Kochfestigkeit trotz seiner relativ kleinen Körner sowohl für den Einsatz im Risotto als auch für trockenere Reisgerichte wie zum Beispiel den legendären Riso all Ìsolana aus der Region Verona. Riso Sant Andrea hingegen ist fest im Piemont beheimatet und gehört dort zum kulinarischen Kulturerbe. Er ist der Hauptdarsteller der Panissa Vercellese und des Piemonteser Trüffelrisotto. Er kann die DOP-geschützte Sorte Riso di Baraggia Biellese e Vercellese enthalten. Neben den in den definierten Gruppen enthaltenen Sorten gibt es noch zahlreiche weitere Reissorten, die in Italien kultiviert werden. Die wichtigste ist sicherlich der Originario. Er zeichnet sich durch kleine, runde Körner aus, die schnell Flüssigkeit aufnehmen und garen. Damit eignet er sich insbesondere als Einlage in Suppen oder für Süßspeisen wie beispielsweise die bekannte Reistorte aus der Emilia. Die Verarbeitungsmethoden ein und derselben Reissorte können sich stark unterscheiden. So werben manche Hersteller damit, dass sie ihren Reis nach dem Dreschen, Schälen und Polieren für teilweise mehrere Jahre kontrolliert reifen lassen.
In dieser Zeit soll sich die Stärke im Korn stabilisieren und der Reis noch mehr Restfeuchte verlieren, um den Geschmack der begleitenden Zutaten später besser aufnehmen zu können. Eine Methode, die durchaus umstritten ist und von manchen Experten mit Skepsis beurteilt wird: Dino Massignani hat als Betreiber der für ihren Reis berühmten Riserva San Massimo noch nie einen Unterschied zwischen einem gereiften und nicht gereiften Reis feststellen können, der wirklich einen Vorteil gebracht hätte. Noch dazu rechtfertige die Reifung schwerlich die erheblichen Mehrkosten , die ein solches Produkt mit sich bringt. Einen solche Reifung sei seiner Meinung nach nichts anderes als eine Lagerung und damit Unsinn. Aber egal, ob gereift oder nicht und egal, welchen Reis man wählt, die entscheidenden Schritte zum Kochen eines perfekten Risottos sind immer die gleichen: Der Reis sollte vor dem Hinzufügen von Flüssigkeit gemeinsam mit den Zwiebeln oder dem Soffitte ein paar Minuten im heißen Topf mit erhitzt werden. Dieser Tastatur oder auch Saldatura genannte Vorgang ist wichtig für das Gelingen des gesamten Gerichts. Denn durch die trockene Hitzeeinwirkung verändert sich die Oberfläche der Reiskörner. Sie werden stabiler und brechen später nicht so leicht, weshalb sie im Risotto knackiger bleiben. Ausserdem geben sie durch die verschlossene Oberfläche ihre Stärke langsamer und gleichmäßiger ab, was den Risotto cremiger und dichter macht. Erst nach der Tostatura wird Flüssigkeit zugegeben und zwar immer nur so viel, dass der Reis sie gerade so aufnehmen kann. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung muss ein Risotto übrigens keineswegs ständig gerührt werden. Alle paar Minuten kräftig mit einem Holzlöffel dafür zu sorgen, dass sich nichts am Topfboden festsetzt reicht vollkommen aus. Ist die Konsistenz des Risottos cremig genug und haben die Reiskörner in ihrem inneren noch Biss, schaltet man die Hitze unter dem Topf aus und führt mit größter Sorgfalt die sogenannte Mantecatura durch.
Man versteht darunter das Einrühren des zu feinem Schnee geriebenen Käse sowie eines großzügigen Stücks Butter in den Reis, bis sich beides mit der Stärke des Reises wunderbar duftend, seidig fließend verbunden hat. Die optimale Konsistenz eines Risotto heißt auch all´onda. Der Reis sollte also im Topf bei Bewegung noch angenehm träge hin und her schwappen wie eine Welle. Gerät er zu fest, kann mit Flüssigkeit nachjustiert werden. Andersherum helfen mehr Butter und Käse. Auf dem Teller sollte sich ein Risotto durch Bewegung des Tellers gleichmäßig bis an die Ränder verteilen lassen, sodass er gerade nicht mehr flüssig ist. Ein Risotto wird mit der Gabel gegessen.